Carsten Bock: Homosexuelle akzeptieren, jedoch nicht sehen wollen...
Mahnmal für vom NS-Regime verfolgte Homosexuelle wird in Berlin nur vor geladenen Gästen eingeweiht / die zahlreich erschienene Community muß 'draußen bleiben'
(Gaybrandenburg - Tabulose Rundsschau) Knapp fünf Jahre nach dem Bundestagsbeschluss zur Schaffung eines Mahnmals für die vom NS-Regime verfolgten Homosexuellen ist die Gedenkstätte am Montag (26.05.) in Berlin eingeweiht worden. "Mit der heutigen Übergabe erinnern wir an eine Opfergruppe, die in der öffentlichen Wahrnehmung lange Zeit wenig Beachtung fand", sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bei der Feier am Rande des Tiergartens. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, das Denkmal markiere auch Fortschritte im Kampf um Toleranz und weise auf die noch bevorstehenden Aufgaben hin...
Das Mahnmal besteht aus einem Betonkubus, in dem ein Endlosvideo mit zwei sich küssenden Männern zu sehen ist. Es wurde nach Plänen der skandinavischen Künstler Ingar Dragset und Michael Elmgreen errichtet. Auf einer Schrifttafel wird an die 50.000 von den Nazis verurteilten Homosexuellen erinnert, von denen tausende in den Konzentrationslagern landeten. "Im nationalsozialistischen Deutschland fand eine Homosexuellen-Verfolgung ohne gleichen statt", heißt es auf der dazugehörigen Texttafel. Der Betonkubus steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Holocaust-Mahnmal im Bezirk Mitte, symbolisch eben auf der anderen Seite des Ufers.
Dabei blieben etwa 150 Politiker, Senatoren, Minister, Abgeordnete und geladene Gäste in dem teilweise sehr leeren separierten Bereich der Veranstaltung weitgehend unter sich. Ein Wachdienst kontrolliert den Einlaß, Absperrungen umzäunen das gesamte Areal: Beinahe symbolisch trennt ein blaues Band die Privilegierten vom vergleichsweise zahlreich erschienenen Publikum. Ein Grund für die "Übergabe eines Denkmals an die Öffentlichkeit" unter deren Ausschluss war jedoch nicht zu erkennen.
Sogar Szenegrössen, wie der Vorstand des ältesten Berliner homosexuellen Vereins AHA, waren offenbar nicht eingeladen worden. Hinter Absperrungen, die mit strengem Blick von Security-Mitarbeitern bewacht wurden, war die schwul-lesbische Szene ausgegrenzt.
Das bliebt jedoch nicht das einzige Ereignis mit fahlem Nachgeschmack auf dieser Veranstaltung: Schon bei der Vorbereitung soll es erhebliche Probleme gegeben haben: "Wir wollten auf der Einladungskarte gern ein Standfoto aus dem Videoclip der küssenden Männer zeigen, der innerhalb der Denkmal-Stele zu sehen sein wird", erklärte Elmgreen, einer der Künstler, die das Denkmal geschaffen haben. "Aber zwei küssende Männer - das war zu viel für den Kulturstaatsminister." Einerseits beweise das, dass das Konzept des Mahnmals funktioniere, andererseits sei die Verbannung dieses Bildes für Elmgreen "...symptomatisch für den halbherzigen Umgang vieler Offizieller mit dem Homomahnmal." Unter den Nazis sei man für so einen Kuss ins KZ gekommen. Heute würden zwar viele Leute Homosexuelle akzeptieren, sie jedoch nicht sehen wollen, so Elmgreens Kritik an dem CDU-Politiker. Für viele bleibt das der Gesamteindruck der Veranstaltung.
Im Nachgang der Veranstaltung berichteten mehrere Medien von 500 bis 600 Gästen. So viele standen ursprünglich auf der Gästeliste. Die meisten davon waren offenbar nicht erschienen. Im "VIP Bereich" herrschte sogar stellenweise gähnende Leere (Foto oben). Bei der veröffentlichten hohen Gästezahl haben sich die Veranstalter enweder gründlich verschätzt, oder die Besucher ausserhalb der Absperrung dann doch wenigstens auf dem Papier noch hinzugenommen.