Taxi zum Klo
Manuel Schubert über TAXI ZUM KLO
„Es ist ein Film über die Möglichkeit einer Liebe, der zufällig im Schwulen-Millieu spielt.“ – so versuchte der Regisseur dieses Films sein Werk in einem Satz zusammen zufassen. Frank Ripploh hieß der Regisseur, TAXI ZUM KLO heißt sein Film. Und dieser Film wurde nun erneut in die Kinos gebracht. 1980 gedreht, war der komplett ohne Förderung produzierte Streifen ein überraschender Publikums- und Kritikererfolg, und erreichte selbst in den USA über 200.000 Zuschauer. Zudem erhielt er 1981 den renommierten Max-Ophüls-Preis und sorgte außerdem für einige Kontroversen. Die Kontroversen leiteten sich nicht nur aus der wunderbaren und wohl dosiert bissigen Schilderung eines schwulen Alltagslebens in Berlin ab, was Anfang der 80er in der Bundesrepublik immer noch höchst problematisch war. Sondern auch aus der expliziten Darstellung von schwulem Sex. So etwas hatte es im deutschen Film bis dahin noch nicht gegeben. Schon gar nicht dergestalt, dass er als etwas zutiefst sinnliches und hingebungsvolles dargestellt wurde.
Aus dem heutigen Blickwinkel betrachtet, schwingt in TAXI ZUM KLO auch eine ungeheure Melancholie mit. Das hat zunächst mit dem Drehort (West-)Berlin zu tun, welcher am Beginn des vierten Jahrzehnts der Teilung und in seiner nass-grauen Erscheinung eine einzigartige Endzeitstimmung kolportierte, die zu jener Zeit die Gemüter teilte: Berlin war Anziehung und Abstoßung zugleich. Abstoßend in seiner Häßlichkeit und großstädtischen Provinzilität. Aber auch anziehend durch die Möglichkeiten und überraschenden Freiräumen. Davon ist heutzutage in der Stadt nur noch wenig übrig. TAXI ZUM KLO wirkt hier gleichsam wie ein Seismograph jener Zeit.
Die Melancholie hat aber auch noch eine wesentlich schwerer wiegende Quelle: Im Sommer des Premierenjahrs 1981 wird in einem wöchentlichen Bericht der US-Gesundheitsbehörde erstmals von einer rätselhaften Form der Lungenentzündung die Rede sein, die vor allem homosexuelle Männer betraf. AIDS betrat die Bühne der Weltgeschichte und verurteilte faktisch auch jene Welt zum Tode, die Frank Ripploh noch 1980 vorgefunden und portraitiert hatte.
Diese Welt, das ist das Leben des Lehrers Frank, der sich in den Filmvorführer Bernd verliebt. Beide leben sie in West-Berlin. Frank schätzt das Leben der schwulen Berliner Subkultur, hat viel Sex, geht auf Klappen, in Parks, in „Action Rooms“ wie der Darkroom damals noch genannt wurde. Bernd ist anders, bürgerlicher, ruhiger. Er träumt vom Leben auf dem Land und einem kleinen Bauernhof. Eine Vorstellung, die Frank nicht behagt, schließlich ist er doch extra wegen dem wilden Leben nach Berlin gezogen.
Beide Männer sind im Grunde jene Prototypen eines Schwulen, wie sie schon Rosa von Praunheim 1969 filmisch aufs Korn genommen hatte: Jene Homosexuelle, die sich krampfhaft an eine bürgerliche Existenz klammern. Und deren Gegenseite, die sich in ihrer grenzenlosen Freiheit verrennt. Die Beziehung von Frank und Bernd kann daran nur zugrunde gehen. TAXI ZUM KLO ist ein bemerkenswerter Streifen, ist treffend in der Schilderung seiner Milieus. Zudem besticht der Film durch eine großartige Fotografie, für die der (ex-)DEFA-Kameramann Horst Schier verantwortlich zeichnete. Die verzeihlichen dramaturgischen Unebenheiten dürften dem Zeitgeist und dem Umstand geschuldet sein, das TAXI ZUM KLO das Spielfilmdebüt von Frank Ripploh war.
TAXI ZUM KLO verfügt immer noch über eine ungewöhnlich starke Aktualität: Die Probleme mit dem Einrichten in einem eigenen Lebensentwurf, prägen bis heute jede schwule Sozialisation. Und die daraus entstehenden Schwierigkeiten, Beziehungsformen zu entwickeln die tragfähig sind, bestehen ebenfalls unverändert fort. 1980 gedreht, ist TAXI ZUM KLO heute 30 Jahre alt. Für einen Film ist das eigentlich schon ein beachtliches Alter. In diesem Fall gilt aber, was auch für Männer gilt: Mit 30 werden sie erst so richtig interessant.
BRD 1980 - Regie & Buch: Frank Ripploh, Darsteller: Frank Ripploh, Bernd Broaderup, Gitte Lederer, Hans-Gerd Mertens, Irmgard Lademacher, Beate Springer
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