EU-Richter stärken homosexuelle Partnerschaften
Die obersten EU-Richter haben in einem weiteren Grundsatzurteil die Rechte gleichgeschlechtlicher Lebenspartner in Deutschland gestärkt. Schwule und Lesben, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, haben demnach die gleichen Rentenansprüche wie Mann und Frau in einer Ehe.
(Gaybrandenburg - Recht und Partnerschaft) In fast allen Medien wird heute über die zweite schallende Ohrfeige berichtet, die sich die Bundesrepublik Deutschland beim EuGH wegen der noch immer fehlenden Gleichstellung von homosexuellen Paaren geholt hat. Sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich vergleichbar mit Ehen zwischen Mann und Frau? Die Richter am EuGH sagen eindeutig Ja, und geben damit auch einen deutlichen Fingerzeig in Richtung fehlende steuerliche Gleichstellung – damit wird nun auch der letzten Bastion staatlicher Diskriminierung von Homosexuellen in Deutschland der Kampf angesagt.
Im konkreten Fall urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag gegen die Freie und Hansestadt Hamburg, die einem schwulen ehemaligen Verwaltungsangestellten eine günstigere Steuerklasse (III statt I) bei der Berechnung seines Ruhegeldes verweigert hatte. Darin sahen die EU-Richter eine «Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung». (Rechtssache C-147/081)
Der Kläger war 40 Jahre bis zum Ruhestand 1990 bei der Stadt Hamburg angestellt. Mit seinem Partner lebt er seit 1968 ohne Unterbrechung zusammen. Im Oktober 2001 begründeten die beiden eine eingetragene Partnerschaft, gemäß einem Gesetz, das erst ein halbes Jahr zuvor in Kraft getreten war. Daraufhin beantragte der Ruheständler die Neuberechnung seiner Bezüge, die bei Verheirateten günstiger ausfallen, da dort die günstigere Steuerklasse 3 statt 1 zu Grunde gelegt wird. - für das Paar wären es 302,11 Euro mehr pro Monat gewesen. Die Stadt lehnte ab.
Die obersten EU-Richter stellen nun fest, «dass die Bezüge offenbar erhöht worden wären, wenn er im Oktober 2001 geheiratet hätte, anstatt eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einem Mann einzugehen.» Nun ist es am Arbeitsgericht Hamburg, den Urteilsspruch umzusetzen, gegen den keine Berufung zulässig ist. Laut EuGH dürfen sich Einzelne auf das Recht der Europäischen Union zur Gleichbehandlung in Beschäftigung berufen, ohne abwarten zu müssen, dass der nationale Gesetzgeber die Bestimmung in Einklang mit nationalem Recht bringt. Das Gericht schrieb es der Bundesrepublik nochmal ins Stammbuch: Es kommt nicht auf die rechtliche Situation an. – Das heißt, nur weil noch nicht alle Gesetze geändert sind, weil einige Parteien in Deutschland meinen, munter weiterdiskriminieren zu dürfen – ist das keine Begründung für eine weitere Schlechterstellung. Es kommt allein auf die tatsächlichen Gegebenheiten, Handlungen und Verpflichtungen – hier die vergleichbare Situation von heterosexuellen und homosexuellen Paaren an.
Die Richter sprachen von einer «schrittweisen Annäherung» bei den Regeln für Lebenspartnerschaft und Ehe. Sie sehen daher «keinen ins Gewicht fallenden rechtlichen Unterschied mehr zwischen diesen beiden Personenständen» und erinnerten daran, dass gleichgeschlechtliche Partner nach deutschem Recht keine Ehe schließen können.
Im Einzelnen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass Zusatzversorgungsbezüge wie diejenigen, die ehemaligen Angestellten und Arbeitern der Freien und Hansestadt Hamburg sowie deren Hinterbliebenen auf der Grundlage des Hamburgischen Gesetzes über die zusätzliche Alters und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Erstes Ruhegeldgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg) in der Fassung vom 30. Mai 1995 gewährt werden, weder wegen Art. 3 Abs. 3 noch wegen des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/78 aus dem sachlichen Geltungsbereich dieser Richtlinie herausfallen, wenn sie Entgelt im Sinne des Art. 157 AEUV darstellen.
2. Art. 1 in Verbindung mit den Art. 2 und 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 steht einer nationalen Bestimmung wie § 10 Abs. 6 des genannten Hamburgischen Gesetzes, aufgrund deren ein in einer Lebenspartnerschaft lebender Versorgungsempfänger Zusatzversorgungsbezüge in geringerer Höhe erhält als ein nicht dauernd getrennt lebender verheirateter Versorgungsempfänger, entgegen, wenn
– im betreffenden Mitgliedstaat die Ehe Personen unterschiedlichen Geschlechts vorbehalten ist und neben einer Lebenspartnerschaft wie der nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16. Februar 2001, die Personen gleichen Geschlechts vorbehalten ist, besteht und
– eine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung vorliegt, weil sich der genannte Lebenspartner im nationalen Recht hinsichtlich dieser Bezüge in einer rechtlichen und tatsächlichen Situation befindet, die mit der einer verheirateten Person vergleichbar ist. Die Beurteilung der Vergleichbarkeit fällt in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts und hat sich auf die jeweiligen, unter Berücksichtigung des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistung relevanten Rechte und Pflichten der Ehegatten und der in einer Lebenspartnerschaft lebenden Personen zu konzentrieren, wie sie im Rahmen der entsprechenden Rechtsinstitute geregelt sind.
3. Sollte § 10 Abs. 6 des Hamburgischen Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 30. Mai 1995 eine Diskriminierung im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 2000/78 darstellen, kann ein Einzelner wie der Kläger des Ausgangsverfahrens das Recht auf Gleichbehandlung frühestens ab Ablauf der Umsetzungsfrist für diese Richtlinie, also ab dem 3. Dezember 2003, geltend machen, wobei er nicht abwarten muss, dass der nationale Gesetzgeber diese Bestimmung mit dem Unionsrecht in Einklang bringt.
Presseerklärung des Gerichts: cp110044de.pdf Byte 01/01/1970, 01:00
Urteil: Dokument1.pdf Byte
Link zum Verfahren mit Vorlageersuchen und Schlußanträgen: http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit=rechercher&numaff=C-147/08