Sexualwissenschaftler Starke: Pornografie schadet Jugendlichen nicht
Abschaffung des Pornografieverbots gefordert - "Verbot kann sogar schädliche Effekte für Jugendliche haben" - freiwillige Zensierungen von youporngay u.a. durch Provider nun wohl endgültig vom Tisch - Katte erhofft sich mehr Unterstützung für Onlineberatung
(Gaybrandenburg - Redaktion) Seit Jahren tritt Katte e.V. in Brandenburg dafür ein, das Thema Sexualität von seinem Schmuddelimage zu befreien dafür tritt seit einigen Jahren auch Brandenburgs Katte e.V. ein. „Wir brauchen eine positive, Sexualität bejahende Darstellung in der Öffentlichkeit, der Bildung und dem Gesundheitswesen. Nur wenn sich niemand wegen seiner Sexualität schämen muss, können wir ihn mit unseren Präventionsangeboten zu HIV/AIDS und sexuell übertragbaren Krankheiten auch erreichen" so Carsten Bock.
Bock ist maßgeblich für die Beratungsangebote des Vereins zuständig. Für ihn stellt vor allem Bayern ein negatives Beispiel dar. Im katholischsten aller Bundesländer , erfolgen laut aktueller RKI - Statistik mehr als doppelt so viele HIV-Infektionen auf unbekannten Wegen als in allen anderen Bundesländern in Deutschland. Er vermutet, dass es sich dabei vorrangig um homosexuelle Kontakte handelt, die aufgrund der negativ - ablehnenden Haltung des katholisch geprägten Bayern nicht trauen, zu ihrer homosexuellen Veranlagung zu stehen.
Die Mainzer Huch Medien GmbH, in der Vergangenheit vor allem als Anbieter von Altersprüfungssystemen bekannt geworden, hat am 18.3.2010 eine breit angelegte Expertise des Leipziger Jugendforschers, Soziologen und Sexualwissenschaftlers Prof. Dr. Kurt Starke veröffentlicht. Starke ist einer der namhaftesten deutschen Wissenschaftler auf diesem Gebiet, der auf Grund seiner Veröffentlichungen wie "Die Lust an der Lust" vor allem in den neuen Bundesländern bekannt wurde. In seiner Studie mit dem Titel "Pornografie und Jugend - Jugend und Pornografie" behandelt Starke umfassend die Frage, was so genannte einfache Pornografie bei Jugendlichen bewirkt und wie diese ihrerseits mit Pornografie umgehen. Ausgeklammert sind allerdings die Themen Kinder- und Gewaltpornografie. Starke stützt sich nicht nur auf eigene wissenschaftliche Forschungsergebnisse. Sein Gutachten bezieht zahlreiche von anderen in- und ausländischen Forschern gewonnene Erkenntnisse, mitunter auch Thesen aus dem außerwissenschaftlichen Bereich ein.
Starke gelangt zu dem Ergebnis, dass eine schädliche Wirkung von Pornografie per se auf Jugendliche nicht belegt werden kann. "Diese beliebte Fiktion hat keine wissenschaftliche Substanz". In der öffentlichen Diskussion würden Jugendliche zu Unrecht als "Opfer" von Pornografie dargestellt. Ausgeblendet werde zumeist, dass Jugendliche heutzutage Pornografie in unterschiedlicher Weise nutzen, ja sogar teilweise selbst herstellen und verbreiten. Vor diesem Hintergrund sei das Verbot der Verbreitung einfacher Pornografie im Strafgesetzbuch und im Jugendmedienschutz - Staatsvertrag (JMStV) unhaltbar und laufe darauf hinaus, jedermann, also auch Jugendliche, vor ungewollter Konfrontation mit Pornografie zu schützen. Für gesetzliche Pauschalverbote dagegen bestehe keine Rechtfertigung. Gefahren für Jugendliche, vor denen das Verbot einfacher Pornografie schützen könnte, seien wissenschaftlich nicht nachweisbar. Moderner Jugendschutz nehme den Jugendlichen als Subjekt wahr und unterstütze diesen bei der Entwicklung seiner Sexualität. In diesem Licht betrachtet könne das Pornografieverbot sogar schädlich für Jugendliche sein, weil es deren Persönlichkeitsentwicklung behindere. Pornografie sei, so Starke, weder ausrottbar oder verbietbar. Deswegen muteten die Verbotsvorschriften speziell in Bezug auf das Internet "realitätsfern und diskriminierend" an.
Die Huch Medien GmbH leitet aus dem Gutachten ihre Forderung nach einer Abschaffung des Verbots der Verbreitung einfacher Pornografie im Strafrecht und im JMStV ab. Am 25. März wollen die Ministerpräsidenten der Länder über eine novellierte Fassung des JMStV beraten. Die Huch Medien GmbH erklärte, dass sie das Starke - Gutachten umgehend den Ministerpräsidenten zur Verfügung stellen werde. Auch im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Aufhebung des Pornografieverbotes zwingend geboten. Vernünftiger Jugendschutz, der auch die Erziehungsrechte der Eltern ernst nehme, laufe darauf hinaus, jedermann, also auch Jugendliche, vor ungewollter Konfrontation mit Pornografie zu schützen. Für gesetzliche Pauschalverbote dagegen bestehe keine Rechtfertigung, so Tobias Huch abschließend in seiner Presseerklärung.
Auch die Gaybrandenburg - Redaktion war in der Vergangenheit mehrfach Ziel von Angriffen vermeintlicher Gutfrauen- und Männer aus Jugendvereinen, Jugendämtern und Ministerien, die in Berichten und Werbung von legalen Erotikanbietern in vorauseilendem Gehorsam das Jugendwohl gefährdet sahen. Für die Redaktion ein klarer Fall von Sexfrustration: "Wer selbst keinen Spaß am Sex hat, der gönnt ihn auch keinem anderen, schon gar nicht den eigenen Kindern" Die erfahrungen sagen uns das kein einziger Jugendlicher sich bei mit moralischem Zeigefinger agierenden "Behörden" Hilfe und Unterstützung bei sexuellen Fragen holen würde.
Sexualpädagogische und Präventive Arbeit von Katte e.V
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Förderung der positive Haltung zu Körperlichkeit und Sexualität sowie einen selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang schwuler Jugendlicher
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Präventions- und Hilfsangebote über Telefon, Internet- und Chat Hilfe für Jugendliche
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bei der Entwicklung eigener Standpunkte und Kompetenzen stärken, damit sie u.a. ihre Medienerfahrungen bewältigen können
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Thematisierung der gesamten Bandbreite der ausgelösten Gefühle (von Ekel/ Angst bis hin zur Faszination Sex)
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Darstellungen und Reflektion der Unterschiede zur Realität und der dargestellten Geschlechterrollen persönliche Wahrnehmung für Grenzüberschreitungen schärfen adäquate Umgangsweisen mit sexuellen Belästigungen zu vermitteln
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Hinweise auf Informations- und Hilfsangebote (Broschüren, Internetseiten, Beratungsstellen
Bedeutung neuer Medien
Da Jugendliche oft keine erwachsenen Ansprechpartnerinnen bzw. -partner für ihre Erfahrungen mit Pornografie und sexuellen Übergriffen im Internet haben, ist es von Bedeutung, ihnen ein entsprechendes Gesprächsangebot zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass die Beraterinnen und Berater auch eine eigene positive Haltung in Bezug auf neue Medien auseinandersetzen können. Einseitige Verallgemeinerungen wie „Chatten ist Zeitverschwendung“ oder „Pornos sind gewaltverherrlichend und frauenfeindlich“ verhindern eine offene Auseinandersetzung ebenso wie Standpunkte im Sinne von: „Wer keine Pornos mag, ist sexualfeindlich und prüde“.
Von Bedeutung sind Internetangebote, die Jugendlichen via E-Mail durch Peers, Experten, Foren oder Gruppen- bzw. Zweierchats Beratung bieten. Denn oft haben Jugendliche keine erfahrenen Ansprechpartnerinnen bzw. -partner für ihre Fragen zu Liebe, Beziehung und Sexualität. Sie befürchten, sich lächerlich zu machen und möchten im Freundeskreis nicht als unerfahren oder unwissend dastehen. In der Onlineberatung trauen sie sich jedoch auch Fragen zu stellen, die sehr persönlich und ihnen peinlich sind. Unsere Erfahrungen der letzten 2 Jahre mit 700 Online-Beratungen zeigen, dass Jugendliche diese Form der Beratung auch nutzen, um ihre Erfahrungen mit der Partnersuche im Internet, Pornografie und Chatten zu thematisieren, schildert Carsten Bock in seinem Jahresbericht der Onlineberatung.
Insgesamt sind folgende Vorteile der Onlineberatung herauszustellen:
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leichte und ständige Verfügbarkeit
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zeitliche und räumliche Flexibilität
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Anonymität
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geringe Kosten
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hohe Kontrolle durch die Ratsuchenden
Jugendliche erleben häufig schon durch das In – Worte - Fassen bzw. Aufschreiben ihrer Situation Entlastung und gewinnen mehr Klarheit. Sie machen die Erfahrung, ernst genommen zu werden, sie erleben, dass man sich mit Fragen, Gefühlen und Ängsten zum sensiblen Bereich Sexualität jemandem anvertrauen kann. Mittlerweile liegen auch empirische Daten dazu vor, was die Ratsuchenden an der E-Mail-Beratung am meisten schätzen: „Ein Gegenüber zum Anvertrauen“, „Lösungsvorschläge“, „einen objektiven Rat eines Außenstehenden“ und „das Aufschreiben“ (vgl. Eichenberg 2007). Wenn eine persönliche Beratung sinnvoller erscheint, dann kann Onlineberatung zudem die Schwellesenken und den Weg dorthin ebnen.